Reisebericht des Segeltörns in der Karibik

1. Tag: 22.12.2010

Start: Grenada
Ziel: St. Lucia

22.12.2010 um 17 Uhr Ortszeit
Gesamtstrecke: 390 Seemeilen

Gegen 17 Uhr verlassen wir die Marina "Port Louis" in St. George auf Grenada,

... vorbei an der AIDA Vita und der um einiges größeren Princess, die beide noch an der CrewChipMall liegen und auf ihre ausgeflogenen Touristen warten. Dabei wirkt die Aida wie das Beiboot der Caribbean Princess.

Etwas weiter draußen liegt majestätisch und elegant das 5-Mast Segelkreuzfahrtschiff "Club Med" vor Anker. Sehr würde es mich interessieren, wie das Schiff von innen ausschaut, aber wir segeln Richtung NW daran vorbei.

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Sehr schnell wird es hier dunkel. Sie Sonne verschwindet im bleiernen Meer und das Segelkreuzfahrtsschiff der Club Med verabschiedet sich standesgemäß.

Unser erstes Ziel, das Abendessen: Putenfilet mit Reis und gedünsteten Zuckerschoten, war gegen 19 Uhr erreicht.

Während des Essens kommt von achtern die Aida auf uns zu und nähert sich sehr schnell. Gigantisch und gespenstig zugleich, denn es war bereits stockdunkel um uns herum. Wie eine schwimmende Lichterstadt erinnerte sie irgendwie an den Gigantismus der Titanik.

Als sie uns auf Steuerbordseite, in einem Abstand von nur ca. 50 Metern, überholt, sind wir irgendwie beeindruckt und sprachlos. Als sie vor uns dann nach Backbord einlenkte, wurde uns bewusst, dass sie wegen uns den Kurs ändern musste.

 

Kurz darauf folgte uns das Segelkreuzfahrtschiff der "Club-Med" mit seinen fünf Masten. Allerdings nicht wie wir, unter Segeln, sondern unter Motorkraft und verschwand tuckernd im Dunkel der Ferne. Ich übernahm die erste Nachtwache. Die Frau des Eigners verabschiedete sich in die Koje zur Nachtruhe, während er selbst noch im Salon am Laptop Solitär spielte. Nun konnte ich am Steuer an Deck den Vollmond aufgehen sehen und es wurde so hell, dass man die Konturen der Inseln am Horizont sehen konnte.

Ich hatte mich inzwischen mit den Armaturen, Anzeigen, Instrumenten und dem Kurs angefreundet und soweit alles im Griff. Peter, der Eigner des Kats wünschte mir für die nächsten vier Stunden eine gute Fahrt und ging gähnend in die Kajüte. Niemals hätte ich an seiner Stelle schlafen können. Schließlich kannten wir uns erst ein paar Stunden. Er hatte mich auf dem Steg der Marina angesprochen und gefragt, was oder wen ich Suche und ob er mir helfen kann, ebenso freundlich wie alle Menschen, denen ich hier begegnet bin und das natürlich auf englisch. Nachdem wir ein paar Worte auf englisch sprachen, sagte er: "Du kannst auch deutsch sprechen, ich bin Schweizer." Schon war er mir noch sympatischer, denn so viel, wie ich mich hier mit meinem Schulenglisch verständigen musste, hab ich mein Leben noch nie gesprochen. Fünf Minuten später stand ich auf seinem Katamaran, hatte einen Pinacolada in der Hand und wurde seiner Frau Johanna vorgestellt, einer sehr aufgeschlossenen und freundlichen Weltumseglerin und ausgezeichneten Köchin, wie ich später noch erfahren konnte.

 

Nun, das Unwetter hinter mir, Mond und Sterne über mir und mit konstanten 14 Knoten Wind, hatte ich leichtes Spiel. Ist ein tolles Gefühl, am Steuer eines acht Meter breiten, 14 Meter langen, hochseetauglichen Katamarans zu stehen und ihm mal zu zeigen, wer hier der Chef ist. Auf diesem Schiff fehlt es an nichts. Wir haben 600 Liter Süßwasser gebunkert, den Tank voll Diesel, eine Seewasserentsalzungsanlage, Solarstromerzeugung, ja sogar Tiefkühlschrank und Waschmaschine haben wir an Bord. Da fehlt maximal das WiFi für die Internetverbindung zu Facebook :-)

 

Als ich so vor mich hin meditierte, frischte der Wind auf und der Windmesser zeigte Böen bis 20 Knoten an. Die Segel und Tampen sangen unter der Spannung und der Katamaran stampfte durch die immer grösser werdenden Wellen. Die Gischt vom Eintauchen der Beiden Rümpfe spritzte bis hinter zu mir an den Steuerstand. Der Mond lachte und freute sich über die 10,8 Knoten Fahrt, die ich machte. Übrigens, mein persönlicher Rekord unter segeln. Zu bemerken sei, dass ich bis jetzt weder mit einem Katamaran, noch bei Nacht gesegelt bin.

 

Mittlerweile war es 23.15 Uhr als mich die Genua mit einem Flattergeräuch aus meinem immer wiederkehrenden Sekundenschlaf riss. Das Genuafall war ausgerauscht, das Vorsegel verlor seine Form und flatterte nun ungezügelt im Wind. Peter, der im selben Augenblick putzmunter neben mir stand, musste zugeben, dass der Schotstek der bessere Knoten für solche dauerhaften Befestigungen gewesen wäre als der Palsteg. Wie gut, dass ich im theoretischen Unterricht des Segelscheins aufgepasst hatte.

 

Als ich Stunden später von lauten Rufen, dem Geplärre des Funkgerätes und einem scharfen Kurswechsel unsanft geweckt wurde, hatte ich bereits das Beste verpasst. Um ein Haar wären wir von einem riesigen Containerschiff gerammt worden, dessen Kapitän wahrscheinlich eingepennt war und welches ungedrosselt unseren Kurs kreuzte. Nun weiß ich, was unter der Prüfungsfrage: Was ist das "Manöver des letzten Augenblicks" zu verstehen ist.

2. Tag: 23.12.2010

9 Uhr: Unser Kurs führt vorbei an Union-Island mit einer Größe von 7 Quadratkilometern und streift dann die Tobago-Cays, den Drehort von "Fluch der Karibik" mit einer wunderschönen Anker-Bucht vor Tobago. Wirklich filmreif, diese Kulisse. Aber weder Johnny Depp noch Capitan Jack Sperrow hab ich hier beim Vorbeisegeln angetroffen :-)

15 Uhr: St. Vincent an Steuerbord und ein Wal direkt voraus, der seine Wasserfontaine in die Luft bläst, uns einmal umrundet und dann wieder abtaucht. Tolles Schauspiel, nur warum steht immer in solchen Momenten im Display der Kamera: "Speicherkarte voll" ?

19 Uhr: Ich sagte "Goodbye St. Vincent" und bemühte mich, den Parmesan auf die Rigatoni und nicht im karibischen Meer zu verteilen, so stark war mittlerweile der Wind an der Meeresöffnung zum Atlantik. Noch ca. acht Stunden Fahrt bis nach St. Lucia. Ich melde mich freiwillig zur ersten Nachtwache bis 23 Uhr. Heute ist es Stock dunkel, der Mond versteckt sich noch. So gegen 22 Uhr schläft der Wind ein, ich erst nach Ablösung gegen 23 Uhr. Ich denke mir noch kurz: "In Deutschland ist bereits Weihnachten und ich schippere hier mit Poloshirt und Badehose bekleidet durch die Karibik." Marry Christmas :-)

3. Tag: 24.12.2010

Wir liegen in der Rodney Bay Marina in St. Lucia. Einklarieren ...

evangelische Kirche

Dafür fehlen mir jetzt die Worte ...

 

4. Tag: 25.12.2010

Auf nach Marygot Bay, der schönsten Bucht der Karibik.

 

5. Tag: 26.12.2010

6.30 Uhr: Adieu St. Lucia. Die Sonne geht langsam auf und wir verschwinden mit zehn Knoten in Richtung Atlantik.

Heut geht es auf der Atlantikseite nach St. Vincent. In 2 Stunden, pünktlich zum Frühstück, sollten wir an der Nordspitze von St. Vincent sein.

Segelstellung "Butterfly" lässt sich schwierig steuern.

Nun sind wir mit Spitzengeschwindigkeiten von 12 Knoten auf der Atlantikseite mit 2,5 Meter hohen Wellen im "Butterfly" unterwegs. Besser geht's nicht!

Ich muß zugeben, ich war innerlich etwas beunruhigt, als das komplette Frühstücksgedeck immer wieder für kurze Zeit in der Luft schwebte. Peter und Hanna saßen allerdings entspannt da, als wäre das normal. Ja, sie hatten sogar Freude daran, dass ich das so gelassen nehmen würde, was bisher nicht bei allen Mitreissenden so war. Ich hatte den Eindruck, die Wellen würden den Katamaran in alle Einzelteile zerlegen. Auch in die, die vorher noch nie einzeln waren. Aber Peter sagte nur mit lautem Lachen: "So lange der Kaffee in seiner Tasse bleibt, ist alles okay."

Bis zum Mittag ist kein einziger Segler auf unserem Kurs zu sehen. Kein Wunder, denn die Atlantikseite ist rauer als die der karibischen See. Weil der Autopilot den Schwell nicht so gut aussteuern kann, stehe ich am Steuer und bin ständig am nachregeln.

Links von uns liegt die kleine, fünf Quadratkilometer messende Exclusiv-Privatinsel Mustique, die sich im Besitz von Mick Jagger, David Bowie und Tommy Hilfinger befindet. Ich finde, über diese Leute wird schon genug Rummel gemacht und fahre vorbei. Ich bin ja schließlich auch wer ;-) ... und ausserdem, wie arm sind die eigentlich, dass die drei da zusammenlegen müssen.

Unser nächstes Ziel ist die Salt Whistle Bay auf Mayreau, wo wir vor Anker gehen. 

Die halbmondförmige Bucht mit Palmenstrand und klarem Wasser ist Entschädigung genug für mich. Heut ist der Tag: ich bin angekommen ... in der Karibik!!! Hier will ich nicht mehr weg!!!

 

6. Tag: 27.12.2010

Aufgewacht mit Rückenschmerzen. Ein Glück, der Eigner praktizierte vor seiner Weltumsegelung als Arzt und Chiropraktiker. Wenige Minuten später sind die Schmerzen wie weggeblasen. Meine zukünftige Exfrau wäre begeistert gewesen, ich ebenfalls, denn ich hätte die dann frei gewordene Stelle als Kapitän besetzt. Man sollte eben immer schauen, dass man mit dem richtigem Schiff unterwegs ist.

9 Uhr: Der große Run auf die Tobago Cays setzt ein. Ein Glück, dass wir zeitig gestartet sind, denn hier ankern die Segler im Minutentakt ... auch hier im Paradies gilt, wer zuerst kommt, der hat den besten Platz.

Die Kulisse aus Fluch der Karibik ist schon da, nur die "Black Pearl" lässt auf sich warten. ;-) Beim Schnorcheln sind sie dann endlich da ... nein, nicht die Meerjungfrauen, sondern die Turtles, die Rießenmeeresschildkröten. Zwei Exemplare, mit ca. einem Meter Durchmesser, nein nicht beide zusammen, sondern je. Ich hatte Glück, beide waren Vegetarier und haben sich nicht wesentlich für mich interessiert.

Petit St. Vincent und Petit Martinique

Blick auf Petit St. Martinique

Blick von der Hotelbar

Eine Privatinsel mit einer traumhaften Bucht, türkisblauem Wasser, weißem Sandstrand und einem exklusiven Hotelressort, fast so schön wie auf den Malediven. Am Strand findet man aller 50 Meter die privaten Ruheoasen mit Hängematten und Sonnenschirmen aus Palmenblättern. Die Gäste sind meist älteren Semesters, kein Wunder bei 1000 $ pro Nacht. Am Abend sind wir vom Bruder des Besitzers, den Peter und Hanni bereits letztes Jahr kennengelernt haben, an der Hotelbar eingeladen.

 

Resümee:

Man lernt hier in der Karibik an drei Tagen mindestens eindutzend Leute kennen, welche man in den Wochen danach alle wieder trifft. Es gab nicht eine Insel, eine Bucht, eine Marina, eine Bar, von der ich nicht mindestens einem dieser Menschen wieder über den Weg gelaufen bin. Meist sind es Segler, coole Typen, Auswanderer, und gestrandete Existenzen, die hier umher irren und nach dem Ende des Regenbogens suchen. Mit diesen Menschen ins Gespräch zu kommen, geht hier so schnell, wie in Deutschland im Straßenverkehr geblitzt zu werden.

Wer nach der Kultur der Insulaner sucht, sucht vergebens. Die haben keine. Auch Feinschmecker guter Küche sind hier falsch. Was sich z.B. am Mittelmeer an Esskultur über Jahrhunderte entwickelt hat, ist hier gerade mal so alt wie der Burger von Mc Donald's.

Am meisten fehlt es hier an Service. Uns Deutschen fällt das besonders auf. Aber darüber denkt hier niemand nach, solange auch ohne ein neuer Tag beginnt und genügend Rum da ist ... ;-)

Was ich bis jetzt noch nicht kannte, waren Strömungen bis acht Knoten und GPS Abweichungen bis zu 200 Metern. Da heißt es aufpassen, und zwar nicht nur auf den Autopilot und die Messgeräte sondern schauen, spüren und ahnen ...

Ach ja, nicht nur im Straßenverkehr geht hier alles andersrum, nein auch die Schiffahrtszeichen an Hafeneinfahrten sind hier andersherum angemalt. Wichtig zu wissen, ansonsten wird's nass an den Füßen ...